Forschungsprojekte

 

Laufende Projekte (zum Kernthema 3)

Sammelbandprojekt: Die Elektrifizierung des Alltags

(Studienprojekt mit Studierenden der Universitäten Würzburg und Salzburg)

Das Projekt wird gefördert durch: Fond für innovative Lehre JMU Würzburg, Fachbereich Geschichte Salzburg, Stadt Salzburg, STV Salzburg, GSU, GTG, KWG – Kraftwerk Glatzing, Stern & Hafferl Verkehrsgesellschaft, DAAD, Salzburger Firma Kaupa Stingeder Montageservice OG, Bundesministerium für Bildung und Forschung)

 

Feb. 2024: Studienprojekt (internationaler Workshop) mit geplantem Sammelband (in Salzburg, gemeinsam mit Martin Knoll und Dieter Schott): Die Elektrifizierung des Alltags: Was hat die Energiewende vor 120 Jahren mit der aktuellen gemeinsam?

2022/23: zwei Seminare an den Universitäten Würzburg und Salzburg

2020 (Auftakt): Aufsatz mit dem Titel 'Licht lockt Leute: Als der Mensch in die Schöpfung eingriff und Tag und Nacht aufhob'

 

 

In Vorbereitung (zu den eigenen Kernthemen 1 und 2)

(1) Aufsatzprojekt: Alles Infrastruktur? Klösterliche und adlige (Burgen) Einrichtungen im regionalen Vergleich (Kernthema 1)

Die Betrachtung nicht kommunaler Siedlungen soll anhand einzelner Aufsatzprojekte erfolgen. In Bezug auf geistliche (= Klöster) und adlige (= Burgen) Einrichtungen wird dabei die Hypothese verfolgt, dass die für kommunale Siedlungen aufgestellte ‚Infrastrukturdefinition‘ (Habilitationsschrift, Druck in Vorbereitung) unter bestimmten Bedingungen auch im Kontext von Klöstern und Burgen Gültigkeit hat. Hierfür ist zu klären, wie diese ‚bestimmten Bedingungen‘ aussehen? Der zeitliche Rahmen wird anhand konkreter Einzelbeispiele und ihrer Genese vom 11. bis zum 19. Jh. angesetzt. Der Bedeutungsverlust von sowohl Burg- als auch Klosteranlagen als eigenständige, wirkmächtige Zentren setzte dabei nicht erst mit der Säkularisierung bzw. Mediatisierung im 19. Jh. ein. Er weist stattdessen eine längere Geschichte auf, sie beginnt bereits im Rahmen der nach und nach erfolgten Umstellung obrigkeitlicher Praktiken von der personell zur territorial ausgerichteten Herrschaft – ein Prozess, der für Burgen als Herrschaftssitze (seit dem 14./15. Jh.) bereits früher als bei Klöstern (seit dem 17./18. Jh.) zum Tragen kam. Wichtige Etappen und Umstellungen waren dabei u.a. die über mehrere Jahrzehnte währende, ‚schleichend erfolgte‘ Aufgabe des Reisekönigtums oder die Gründung des Reichskammergerichts 1495 – ebenso ein Ergebnis Jahrzehnte langer Veränderungen im Rahmen des Landfriedensrechtes (vgl. Schröder 2024). Hinzu kommen verschiedene Ereignisse, die im Kontext der Konfliktüberlieferung etwas über den Bestand und die zeitgenössische Wahrnehmung klösterlicher/adliger Zentren und Einrichtungstypen verraten, etwa die Reformation oder der Bauernkrieg (1525). Die Überprüfung der Hypothese soll anhand von vier bis fünf lokalen Beispielen aus unterschiedlichen Regionen erfolgen, um auf diese Weise regionale und lokale Spezifika erfassen zu können.

 

(2) Buchprojekt: Oral History trifft Regionalgeschichte: ‚Maritime Regionen‘ und ihre gesellschaftliche Bedeutung am Beispiel der deutsch-deutschen Handelsschifffahrt (1952–81) (Kernthema 2)

Das Meer als reell existierender Raum hat es über Jahrhunderte hinweg geschafft, einen ‚virtuellen Raum‘ zu erzeugen, angefüllt mit Mythen und romantischen Vorstellungen vor allem im Kontext seiner Durchquerung. Aus kulturgeschichtlicher Warte wurde zum Meer epochenübergreifend bereits geforscht, aus dezidiert regionalhistorischer Sicht bisher weniger. Insbesondere die Frage, inwieweit einzelne Meere in Gänze oder wenigstens Teile von ihnen als eigene Regionen (= ‚Maritimer Regionen‘) anzusehen sind, stellt ein Desiderat dar. Unter ‚Maritimer Regionen‘ werden hypothetisch Regionen verstanden, die zu großen Teilen aus Salzwasser bestehen, hinsichtlich an das jeweilige Meer angrenzender Anrainer oder Inselwelten jedoch durchaus auch Landmasse aufweisen. Sie lassen sich mit den gleichen Kriterien wie Landregionen beschreiben und analysieren.

Von besonderem Interesse sind mit Blick auf diese Hypothese dabei Fragen nach einer möglichen regionalen Eingrenzung, inwieweit sich etwa Binnen- oder Randmeere (im Gegensatz zu den großen Ozeanen) in ihrer Gänze als Region verstehen lassen oder ob eine Einteilung nach vielleicht sogenannten Seegebieten erfolgen sollte (solche gemeinhin mit z.B. der Ostsee verknüpfte Unterteilungen sind z.B. Skagerrak, Kattegat, Belte und Sund, westliche Ostsee etc.). Untersucht werden soll außerdem die weitere Hypothese, dass es sich bei ‚Maritimen Regionen‘ um Grenzregionen handelt, konkrete Grenztypen sind hier die Differenz ‚Wasser-nicht Wasser‘ sowie administrative Demarkationen (Anrainer). Da besonders der Grenzregion im Kontext ihrer jeweiligen Grenzräume ein die Menschen prägender Charakter nachgesagt wird, lässt sich vor allem die Wasser-Grenze als Ursprung des eingangs beschriebenen ‚virtuellen Raums‘ vermuten.

Entsprechend soll sich dem maritimen Raum auch aus der Seeperspektive (und nicht aus der Küstenanrainer-, also Landperspektive) genähert werden, indem das Wasser durchquerende Handelsschiffe als ‚mobile Grenzräume‘ untersucht werden. Dabei soll sich auf solche der Bundesrepublik Deutschland (weiter BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (weiter DDR) im Zeitraum von 1952–81 konzentriert werden, da sich so die Perspektive unterschiedlicher politischer Systeme auf und ihr Umgang mit diese(n) Grenzen von dezidiert regional bedingten Einflussfaktoren differenzieren lassen (hier erscheint ein landesgeschichtlicher Ansatz): Im Fokus stehen so das Selbstverständnis der in den ‚mobilen Grenzräumen‘ agierenden Akteure, ihre raumspezifische Wahrnehmung, die durch die Grenzen (und nicht etwa das jeweilige System!) bedingten Organisationsstrukturen sowie die diesbezüglichen Auswirkungen auf die Transformation ‚Maritimer Regionen‘ (= Konstruktion des ‚virtuellen Raums‘). In diesem Kontext soll u.a. die Oral History für die Regionalgeschichte nutzbar gemacht werden, indem auf den damaligen Schiffen agierende Akteure befragt werden.  

 

(3) Aufsatzprojekt: Von fernen Landen und Gesellschaften. Region, Landschaft und ihre Wahrnehmung im 19. Jahrhundert im Spiegel des Fremden (Kernthema 2)

Die ‚Region‘ als Raumkategorie mit eigener Bedeutung ist vor allem ein Produkt des 19. Jahrhunderts, wenngleich es Hinweise verschiedenster Art gibt, dass bereits Zeitgenossen früherer Epochen regionale Raumvorstellungen entwickelten (z.B. Städtebünde, Landfrieden, Kartographie etc.). In größerem Stil erfassen lassen sich solche Vorstellungen jedoch erst mit ansteigender Schriftlichkeit und zunehmender Mobilität im 18. und 19. Jahrhundert. Ein augenfälliges Produkt sind dabei die diversen Gemälde im Kontext der Landschaftsmalerei, die in dieser Zeit zu einer neuen Konjunktur fanden und nicht selten ideale Landschaften präsentierten, die einerseits auf den reell gemachten Erfahrungen der damaligen Zeitgenossen basierten, sich jedoch andererseits in den Gemälden zu idealisierten Raumvorstellungen materialisierten. Entsprechend ist es für das 18. und 19. Jahrhundert ex post eine Herausforderung, ‚Region‘, ‚Landschaft‘ und ‚Heimat‘ in den verschiedenen Diskursen voneinander zu trennen.

Einen Ausweg bietet hier die Untersuchung zeitgenössischer Diskurse über Räume, die von den damaligen Akteuren nicht mit Heimat in Verbindung gebracht wurden. Räume, die nicht einfach nur bereist, sondern systematisch studiert wurden. Dies führt unweigerlich zu den großen Forschungsexpeditionen des 18. und vor allem 19. Jahrhunderts. Bekannt geworden ist beispielsweise Alexander von Humboldts Südamerikaexpedition, die er gemeinsam mit Aimé Bonpland 1799–1804 unternahm und in mehreren Tagebüchern festhielt. Forschungsreisende des 18. und des 19. Jahrhunderts, so auch Humboldt, waren häufig besessene Sammler. Je nach thematischem Schwerpunkt und Forschungsinteresse durchstreiften sie ihr jeweiliges Untersuchungsgebiet, erforschten z.B. die Vulkane und Flusssysteme, studierten die exotisch wirkenden Gesellschaften und schickten kistenweise Material nach Hause: Gesteine, ethnographische Artefakte, präparierte Tiere und Pflanzen, Bücher, Karten, Gemälde und vor allem Fotografien, die nicht selten auch in lokalen Ateliers angekauft wurden. Letztere dienten vor allem dazu, die Bevölkerungs- und Sozialstruktur der jeweiligen Gesellschaften zu dokumentieren, gemäß der damaligen Zeit befanden sich darunter auch zahlreiche sogenannte ‚Typenbilder‘. All dieses Material und die zum jeweiligen Untersuchungsgebiet eingenommene, distanzierte (im Sinn vom ‚fremd‘, ‚exotisch‘) Forscherperspektive der Akteure kann heute nun dazu beitragen herauszufinden, inwieweit sich ‚Region‘ bereits im 19. Jahrhundert zu einer von ‚Heimat‘ unabhängigen Raumkategorie entwickeln und etablieren begann.

 

 

Abgeschlossene Projekte

Keine Infrastruktur in der Vormoderne? Eine transregionale Studie zur epochenübergreifenden Bedeutung und Abhängigkeit «gemeiner Einrichtungen»

(Habilitationsprojekt, begleitet durch Prof. Dr. Martin Knoll, Publikation in Vorbereitung)

Das Projekt wurde gefördert durch: die Heresbach-Stifung Kalkar und der 'Paul und Susi Hoffmann Stiftung Schweinfurt'

 

Drei zentrale Fragestellungen stehen im Fokus: (1) Was ist Infrastruktur? (2) Ist Infrastruktur erst eine Erscheinung der Moderne? sowie (3) Welche Rolle spielt der Standort einer zur Infrastruktur dazugehörigen Einrichtung? Diesbezüglich untersucht werden verschiedene Einrichtungstypen, z.B. Stadtbefestigungen, Mühlen, Brücken, Badstuben, Ziegelhütten etc. Auf Basis u.a. zweier Fallstudien zu Seßlach (Oberfranken) und Kleve (Rhein-Maas-Raum) werden dabei unterschiedliche Erklärungsansätze aus Geschichtswissenschaft, Archäologie, Stadtsoziologie, Geographie oder aus den Wirtschaftswissenschaften diskutiert. Aus neuzeitlicher Perspektive definiert Dirk van Laak (2018) Infrastruktur, seiner Meinung nach entstanden im 19. Jahrhundert, als „alles Stabile, das notwendig ist, um Mobilität und einen Austausch von Menschen, Gütern und Ideen zu ermöglichen“ (Alles im Fluss. S. 13). Dabei bezieht er sich jedoch offensichtlich lediglich auf Einrichtungstypen mit Verbundtechnik, also Verkehr, Wasser-, Stromleitungen oder Kommunikationseinrichtungen. Die Mediävistik geht bis hierhin insofern Accord, als dass sie in Ermangelung vorhandener moderner Leitungsnetze für Wasser, Energie oder das Nachrichtenwesen ebenfalls Einrichtungen des Verkehrs als Infrastruktur bezeichnet. Was ist allerdings mit den restlichen Einrichtungstypen, also denjenigen, die keine Verbundtechnik aufweisen? In der Konsequenz vergleicht die Studie z.B. den Schiffskanal als Einrichtung mit Verbundtechnik mit dem Rathaus; der Untersuchungszeitraum reicht vom Spätmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg. Bezüglich der Standortfrage wird «Standort» mehrperspektivisch gedacht, u.a. geht es auch hier um Kontinuität bzw. um die Abhängigkeit eines Einrichtungstyps von Siedlung und Region.

Da sich verschiedene Disziplinen mit der Infrastrukturfrage beschäftigen, wird quellentechnisch ein transdisziplinärer Ansatz verfolgt. Für die Analyse der Einrichtungstypen werden Schriftquellen, kunsthistorische, archäologische, stadtsoziologische, naturräumliche sowie topographische Befunde miteinbezogen. Den übergeordneten Rahmen für die Erklärung eventueller Gemeinsamkeiten bildet dabei die Gesellschaft, die es epochenübergreifend zu beschreiben gilt. Diesbezüglich wird mit Niklas Luhmanns Systemtheorie gearbeitet.

 

 

Schnittstelle Kahlgrund. Ein Grenzraum ohne Grenzen als Bühne der Reichs-, Regional- und Lokalpolitik im Spätmittelalter (im Druck)

Das Projekt wurde initiiert und gefördert durch: die Gemeinde Mömbris, den Verein Kulturlandschaft Kahlgrund e.V.

 

Die Untersuchung leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung der spätmittelalterlichen Geschichte des Kahlgrunds, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts, so die These, politisch eine Schnittstelle zwischen dem vom Mainzer Erzbischof dominierten Spessart (als Teilraum von Franken) und der ursprünglich vom König beherrschten Wetterau darstellte. Im genannten Zeitraum wies der Kahlgrund ein königliches Freigericht, mehrere kleine Ortschaften (u.a. Kahl, Mömbris, Krombach, Blankenbach, Sommerkahl), mit Alzenau nur eine Siedlung mit Stadtrecht (1401) sowie eine sehr hohe Burgendichte auf – insbesondere Letztere verweist vor allem auf verschiedene Tätigkeiten niederadeliger Akteure.

Im Jahr 1405 ließ König Ruprecht von der Pfalz (1400–10) mehrere dieser Burgen mit der Begründung, dass es sich um Raubschlösser handelte, einlegen. Dem hierfür zusammengestellten Zug schloss er sich streckenweise persönlich an. U.a. diese Episode gibt Anlass, im Kahlgrund eine Schnittstelle zwischen Wetterau und Spessart zu vermuten, die u.a. auch politischen Diskursen ausgesetzt war. Regionale Schnittstellen lassen sich dabei als Grenzräume interpretieren und untersuchen. Die Herausforderung liegt hier vor allem darin, dass es keine 'harten' Grenzen gibt, sondern eine Überlappung verschiedener Einflüsse der an der Schnittstelle beteiligten Regionen. Im Fall der Wetterau kommt ferner hinzu, dass es sich um eine Region handelt, die 'Königsland' war, mit dem König also ein 'überregionaler' Akteur von Bedeutung war. Um die diversen Verflechtungen besser verstehen und 'entwirren' zu können, wird hier ein Untersuchungszeitraum von 1376 bis grob 1410 zugrunde gelegt.

 

 

Herrschaftlicher Anspruch und öffentlicher Nutzen. Die Rolle (städtischer) Einrichtungen und natürlicher Ressourcen im epochenübergreifenden Vergleich

gemeinsam mit Dr. Wolfgang Bühling: Studienprojekt mit Studierenden der Universität Würzburg (Publikation 2023 erschienen)

Das Projekt wurde gefördert durch: den Geschichts- und Kunstverein Aschaffenburg e.V., den Bezirk Unterfranken, den Verschönerungsverein Würzburg e.V. und die Sparkassen-Stiftung Würzburg

 

Die Komplexität des Dreiecksverhältnisses zwischen landesherrlicher Obrigkeit, städtischen und dörflichen Entscheidungsträgern und den bürgerlichen und nicht bürgerlichen Untertanen im Mittelalter und in der Neuzeit stellt für die Geschichtsschreibung eine Herausforderung dar. Anhand konkreter Beispiele städtischer und ländlicher Einrichtungen wie etwa Wasserleitung, Rathaus, Universität, Hafenanlagen oder – mit Blick auf die Ressourcen – Waldnutzung werden Herrschaftsstrukturen und gegenseitige Abhängigkeiten von Obrigkeit und Nutzerschaft in Einzelanalysen deutlich gemacht. Der Betrachtungszeitraum der Arbeiten erstreckt sich vom Spätmittelalter bis in das 20. Jahrhundert.

 

Raum- und Grenzkonzeptionen in der Erforschung europäischer Regionen

Internationaler Workshop mit Sammelband gemeinsam mit Prof. Dr. Christine Gundermann (Köln) und Dr. Markus Wegewitz (Jena) (Publikation 2023 erschienen)

Das Projekt wurde gefördert durch: die Fritz Thyssen Stiftung

 

Spätestens seit dem Spatial turn stehen Raumkonzeptionen in der Geschichtswissenschaft zur Debatte. Verschiedene Studien haben dazu beigetragen, neue Perspektiven auf historische Räume aufzuzeigen. Was für den Nationalstaat als hermetischen Rahmen historischer Analysen und Methoden galt, muss dabei auch für andere Raumkonzeptionen gültig sein: History takes place, aber wie sich das vollzieht, weicht von der einst angenommenen Selbstverständlichkeit ab und ist mittlerweile selbst zum Objekt geschichtswissenschaftlicher Untersuchung geworden.

Der konzipierte Workshop hinterfragt vor diesen Prämissen den Umgang mit europäischen Grenzregionen in den Geschichtswissenschaften. Wo liegen ihre Grenzen jenseits des Topographischen? Von historischen politischen und kulturellen Konzeptionen geprägt, durch politische Grenzen zerstückelt oder zusammengefügt sowie als Raum von Kooperation und Konflikt sind sie komplexe Untersuchungsobjekte. Hier wird Simmels (1903) Aussage, Grenzen seien keine „räumliche Tatsache mit soziologischen Wirkungen, sondern eine soziologische Tatsache, die sich räumlich formt“ besonders deutlich. Grenzregionen sind daher ein Raum der Deutungskämpfe, mit denen sich auch der Historikertag an der LMU München beschäftigen wird. Für die Thematik des Workshops bedeuten Grenzregionen eine Chance, Raumperspektiven anhand differenter Fallbeispiele dar- bzw. gegenüberzustellen und zu diskutieren, denn hier greifen die klassischen Herangehensweisen oftmals nicht. Die verschiedenen Dynamiken zwischen Lokalem, Regionalem und Transnationalem sollen in die Analyse mit einbezogen werden. 

 

Der Rhein-(Maas-)Schelde-Kanal als geplante Infrastruktur-zelle von 1946 bis 1985: Eine Studie zur Infrastruktur- und Netzwerk-Geschichte

Dissertationsprojekt (Doktorvater: Prof. Dr. Dr. h.c. Wilfried Loth, Publikation 2017 erschienen)

Das Projekt wurde gefördert durch: die Heresbach-Stifung Kalkar

 

Der Ansatzpunkt der Arbeit besteht u.a. darin, über mehrere Epochen hinweg den Zusammenhang zwischen Versorgungsinfrastruktur und Herrschaftsgestaltung am Beispiel der Wasserstraße «Rhein-Maas-Schelde» nachzuzeichnen. Dafür wurde eigens ein Infrastrukturmodell entwickelt. Die Ausgangsüberlegung bestand darin, dass Infrastruktur sowohl einen gesellschaftlichen Handlungs- (z.B. Herrschaftsgestaltung) als auch Versorgungsraum strukturiert – die grundlegende Differenzierung in eine Handlungs- und Versorgungsinfrastruktur schien eine logische Konsequenz. Dabei wurden beide jeweils als Summe verschiedener Netzwerkzellen begriffen, jede Zelle verfügt über eine eigene 'Hard- und Software' und erfüllt verschiedene Funktionen. Entscheidend neben diesen ist zudem die konkrete Schaltung der Zelle im Gefüge.

Die zahlreichen Anläufe und Entwürfe für eine Anbindung Antwerpens an den Niederrhein mittels Rhein-Maas-Schelde-Kanal fungierten als Beleg für die Bedeutung von Wasserwegen als Netzwerkzelle der Versorgungsinfrastruktur einerseits und funktionell als Herrschaft speicherndes Element andererseits. Durch die Jahrhunderte hinweg wurde hinsichtlich der Diskussionen um die West-Ost-Magistrale eine Verschiebung festgestellt: Bis zur Industrialisierung war die Herrschaftsspeicherung mittels des Instruments Wasserstraße vor allem an obrigkeitliche und militärische Intentionen geknüpft. Diese Zielsetzungen traten jedoch mit dem Übergang absolutistisch geprägter Gesellschafts- und Herrschaftsformen hin zu industriell ausgerichteten mehr und mehr in den Hintergrund und fanden in Folge auch in der Konkurrenz der Ökonomien einzelner Nationalstaaten ihren Niederschlag. Durch die Abriegelung der ursprünglichen Nord-Süd-Verbindung Antwerpens zum Rhein im Jahr 1865 schnitten die Niederlande zielgerichtet das belgische Nachbarland vom Handel über den Binnenwasserweg ab – der spätere Konkurrenzkampf zwischen Rotterdam und Antwerpen um die Rhein-Maas-Region als Hafenhinterland unterstreicht die ökonomische Bedeutung der «Netzwerkzelle Kanal». Bereits in den 1920- und 30er Jahren unternahmen beide Nachbarländer mit der Erbauung des Julianakanals, des Albertkanals sowie den Verhandlungen um eine neue Anbindung Antwerpens an den Rhein große Anstrengungen, sich so effektiv wie möglich mit den östlich gelegenen Wirtschaftsräumen zu vernetzen. Für letzteres Projekt gab es mit der West-Ost-Lösung Rhein-Maas einerseits und der Nord-Süd-Magistrale Rhein-Schelde andererseits zwei Optionen. Im Sinne der Effektivität des Versorgungsnetzwerkes war nicht nur für Belgien dabei die Nord-Süd-Magistrale der eindeutige Favorit.

 

 

Die Republikgründung der Niederlande – eine systemtheoretische Betrachtung

(Publikation 2013 erschienen)

Das Projekt wurde gefördert durch: Verein und Archiv MOSAIK

 

Die Gründung der niederländischen Republik fällt in eine Zeit, in welcher Europa buchstäblich auf den Kopf gestellt wurde: An der Schwelle zur Neuzeit gab es seit etwa 1470 eine spürbare Zunahme der Bevölkerung und einen damit verbundenen Preisanstieg, die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus 1492 forderte die Seefahrernationen heraus, sich Ruhm, Erfolg und Reichtum in der neuen Welt durch Eroberungen und die Gründung von Kolonien zu eigen zu machen. Auch die Reformation hatte in Europa Spuren hinterlassen: Martin Luthers Thesenanschlag im Jahr 1517 und die Fertigstellung seiner Bibelübersetzung im Jahr 1534 erschütterte die christliche Welt. Die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts ermöglichte zudem die Verbreitung von Flugschriften und vor allen Dingen der neu übersetzten Bibel.

In der Forschung ist die niederländische Republikgründung durch zahlreiche Kontroversen gekennzeichnet. Forschende sehen sich unzähligen unterschiedlichen Interpretationen in Bezug auf die zeitliche Eingrenzung, die Organisation sowie den führenden Personen gegenübergestellt. Ferner ist die Dokumentation eng mit Wilhelm von Oranien und Philipp II. verknüpft, die in zahlreichen Darstellungen in den Mittelpunkt gerückt werden. Auch die unterschiedlichen Bezeichnungen für das diskutierte Gebiet verursachen der nicht mit der Materie vertrauten Leserschaft des Öfteren Verständnisprobleme. Die Verfasserin bemüht sich mit dem Rückgriff auf einen in verschiedensprachigen Quellen eine Rolle spielenden Begriff der 'Lage Landen' darum, diese geographischen Unstimmigkeiten zu beheben. Ferner versucht sie mittels der Luhmannschen Systemtheorie einen neuen Zugang zur Thematik zu erarbeiten. Die Stärke dieser Theorie, den Menschen aus dem Mittelpunkt des Geschehens herauszunehmen und gleichzeitig die Differenz in Bezug auf die Systembildung zu postulieren, ermöglicht die Betrachtung der Republikgründung unabhängig von Philipp II. und Wilhelm von Oranien und lässt ein anderes Verständnis für gewisse Entwicklungen zu.

 

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